Auri » 24 Apr 2016, 17:11 hat geschrieben:Es wäre ja schon viel gewonnen wenn man keinen Absolutheitsanspruch für seine Meinung reklamieren würde.
Das nennt man nämlich Fanatismus und der hat noch nie sehr viel produktives und positives hervorgebracht.
Nun habe ich ja bekanntlich auch konkret mit Flüchtlingen zu tun, und neuerdings mit Gefangenen.
Gerade bei letzteren gibt es wohl grössere Unterschiede wie bei kaum einer anderen menschlichen Gruppe.
Und ich habe auch noch nirgendwo bei Menschen ein so tiefes Bedürfnis danach gespürt Glaubensinput zu bekommen. Und Fürsorge. Beileibe nicht bei allen, das wäre eine grundverkehrte aussage.
Aber es gibt darunter genügend die wie ein Schwamm alles aufsaugen und für jedes menschliche persönliche Zeichen dankbarer sind als es je ein Mensch in Freiheit wäre.
Ein Händedruck, ein Bild, ein bischen Wertschätzung gibt einem soviel zurück, das könnte einem keine doppelt so grosse Jacht wie die von Gaunern wie Abramowitsch jemals im Leben geben.
Ich würde jedenfalls 4 Stunden Basisarbeit im Gefängnis niemals für 1 Woche Charter auf so einer Jacht eintauschen wollen. Im Leben nicht!
Ja, von Gefangenen kann man Glauben lernen.
Nunja, Auri, wenn ich "Absolutheitsansprüche" wirklich würde suchen wollen, wäre der Vatikan meine erste Wahl.
Ihr ebenso unfreiwilliges wie bereitwilliges Eingeständnis, dass Glauben nichts anderes ist als Gefangenschaft mit angeblicher Erlösungsverheißung war sicher keine gute Idee. Für Gefangene ist jede Form der Erlösung eine wunderbare Aussicht, und jeder Sozialkontakt mit einem, der nicht die für ein Verbrechen nötige Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit mit sich herumträgt, ein Segen.
Was Sie mit ihrer "Basisarbeit" wirklich erreichen, läßt sich vom Häftling erst in Freiheit unter Beweis stellen, bis dahin bewerte ich Ihre Bemühungen als Mission zur Versklavung neuer Glaubensopfer.
Nathan, ich pflege bei allen Autoren die Zustände zu berücksichtigen, unter denen sie ihre Werke publiziert haben, und unter denen sie selbst sozialisiert bzw. erzogen wurden.
Deshalb lese ich seit Jahrzehnten nur noch Fach- und Sachbücher.
Der Pastorensohn Kant hat es schließlich bei aller Vernunft nicht verstanden, seine frühkindliche Prägung abzulegen, und hat, bevor er aus Familie und Umfeld wegen der ketzerischen Aufklärungsversuche ausgestoßen wird, trotzdem irgendwie geschafft, seine gerade gewonnene Vernunft durch den lächerlichen "kategorischen Imperativ" zu diskreditieren.
Wozu sollte ich mich also mit der Lektüre von Werken beschäftigen, deren Autoren im wahren Leben alle in der Heila gelandet wären? Nicht, weil Glaube automatisch verrückt ist, sondern weil es Wahnsinn ist, sich vor der Lösung konkreter Probleme damit zu drücken, dass man es einer fiktiven Instanz oder den anmaßenden Trägern dieser Instanz überläßt.
Wohin die Verquickung von Religion und Politik führt, scheinen Sie und Auri gerne zu ignorieren.
Absolutheitsanspruch und Politik führt genau zu Verhältnissen wie in der Türkei, wo die freie Rede ins Gefängnis führt.
Wie so oft, Diktatur und Religion sind Brüder, denn sie teilen sich den Absolutheitsanspruch.