Änderung des Sexualstrafrechts -

Interessante Themen über Gesundheit, Gesellschaft, Familie und Soziales
Antworten
Auri

Änderung des Sexualstrafrechts -

#1

Beitrag von Auri » Do 7. Jul 2016, 13:34

Nicht nur ich werde mich in dieser Debatte gewundert haben, dass es ein Problem sein könnte erzwungene Sexualität zu bestrafen. Absurde Vorstellung in diesem Land.

Nun hat der Bundestag heute Vormittag das neue gesetz beschlossen, in Teilbereichen einstimmig. alles gut oder besser kann man annehmen.

Nun hörte ich mir heute Mittag auf Bayern2-Radio das Tagesgespräch an.
Da sah das eine Juristin anders. Es gab in Sexualstraftaten bisher den Zwang zu einem Gerichtsferfahren.
Das gilt nun nicht mehr. es kann nun auch per Strafbefehl oder Einstellung des Verfahrens durch den Staatsanwalt eine Sexualstraftat behandelt werden.

Da frage ich mich schon, ist das ein Fortschritt? Dadurch dass man die Schwelle der Strafbarkeit vordergründig absenkt gibt man der Justiz die Möglichkeit auch höhere Straftaten nicht mehr in einem Prozess zu behandeln.

Eine Verschärfung sieht für mich anders aus.

Sexuelle Übergriffe werden künftig schärfer geahndet: Der Bundestag stimmte mit breiter Mehrheit einer Verschärfung des Sexualstrafrechts zu. Demnach gilt künftig der Grundsatz "Nein heißt Nein". So werden auch Fälle als Vergewaltigung gewertet, in denen der Täter sich über den "erkennbaren Willen des Opfers" hinwegsetzt. Eine Gewaltanwendung des Täters muss nicht dazukommen.

"Sexuelle Belästigung" neuer Starftatbestand
Im Zuge der Neuregelung wird auch der Straftatbestand "Sexuelle Belästigung" eingeführt, der sich gegen Grapscher richtet. Speziell geahndet werden mit der Neuregelung auch sexuelle Straftaten, die aus Gruppen heraus begangen werden. Damit reagiert der Bundestag auf die Kölner Übergriffe aus der Silvesternacht. Dabei hatten offensichtlich überwiegend nordafrikanische Männer massenhaft Frauen angegriffen.

http://www.heute.de/bundestag-verabschi ... 91248.html



forest

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#2

Beitrag von forest » Do 7. Jul 2016, 14:08

Dazu Thomas Fischer in Auszügen:
Das Sexualstrafrecht in Deutschland wird reformiert. Und doch – es bleiben immer noch Strafbarkeitslücken. Wir sollten sie schließen!
- Am 24. Juni, so lasen wir, haben sich ein paar Parlamentarierinnen von CDU und SPD geeinigt: Die Sache läuft! Was draußen geschwätzt wird, ist den Macherinnen egal. Mit dem Rest sollen sich dann die Gerichte herumschlagen, dazu sind sie ja wohl da.
- 1) "Nein heißt Nein"
Ein schön klingendes Schlagwort, das aber in der Praxis kaum etwas erklärt oder erleichtert. Mit "Köln" zum Beispiel hat es nicht das Geringste zu tun. "Köln" wiederum hat mit der "Strafbarkeit von Grabschen" nichts zu tun: Dort wurde ja gerade eben nicht ("nur") gegrabscht, sondern offenkundig genötigt: Da bestand also keine (Grabscher-)Lücke.
- Viele Male haben wir gehört, die gegenwärtige Rechtslage "verlange, dass das Opfer sich wehrt". Tatsächlich verlangt sie das keineswegs, und die Profis unter denen, die es behaupten, wissen das genau. Sie zitieren die zwei oder drei ersichtlich fehlerhaften Urteile, die man im Netz finden kann, wieder und wieder, und schreiben dazu, diese seien "beispielhaft" für "die Rechtsprechung". In Wahrheit sind sie beispielhaft nur dafür, dass auch (höchste) Gerichte einmal irren oder Unsinn schreiben können. Die Tausenden von richtigen und überzeugenden Entscheidungen alle werden nicht zitiert. Wann man erlebt, wie erfahrene Rechtsanwältinnen, in der Rolle als Abgeordnete oder Aktivistin, mit Tremolo in der Stimme die Unangreifbarkeit und monolithische Stärke der BGH-Rechtsprechung beteuern, wenn es darum geht, einzelne Ausrutscher zur "ständigen Rechtsprechung" hochzujazzen, dreht es einem den Magen um. Doch die Damen lächeln fein, wenn Scheinwerfer und Kamera ausgeschaltet sind, und sagen: So geht Politik.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht

forest

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#3

Beitrag von forest » Do 7. Jul 2016, 14:15

Nochmal Thomas Fischer am Beispiel Gina-Lisa, nur als Kostprobe - das Strafrecht kommt deswegen nicht zu kurz:
Frauenfilme zu Frauenwahrheiten und Frauenfragen
Voraussetzung des Paragrafen 164 Strafgesetzbuch ist, dass jemand einen anderen Menschen zu Unrecht beschuldigt, eine Straftat begangen zu haben. Es fällt einem spontan nicht sehr viel ein, was rechtspolitisch dagegen sprechen sollte: Wer andere Menschen absichtlich in die Gefahr bringt, aufgrund falscher Anschuldigungen jahrelang unschuldig im Gefängnis zu sitzen, darf (!) doch vielleicht seinerseits bestraft werden. Oder?

Unerhört, meint Brigitte online, unbeeindruckt von der Wirklichkeit: Jetzt werden auch noch "die Peiniger" (Plural!) des "Opfers" (Singular) gegen dessen Strafanzeige geschützt!

Das ist die Karikatur von seriösem Journalismus. Es ist das Betätigen einer polemisch-suggestiven Verdrehungsmaschine (wie sie auch von Pegida und der AfD betrieben wird) und der glatte Missbrauch von journalistischer Macht: Schuld und Unschuld, Täter und Opfer stehen für diese Art von Presse schon lange vor der Ermittlung fest. Woraus sich das der Journalistin mit solcher Evidenz erschließt, dass die primitivsten Regeln ihres Berufs und die simpelsten Einsichten des Verstands bei ihr nicht mehr wirken, ist unbekannt. Ich fürchte: irgendwie aus den Hormonen. Die Anzeigeerstatterin eines Sexualdelikts heißt selbstverständlich "Opfer"; das Opfer einer Falschverdächtigung hingegen heißt "Peiniger" – und ist deshalb erst Recht "Täter": Der Beschuldigte eines Strafverfahrens wird so gleich vorab zum Doppeltäter ernannt. Man mag das kaum "Journalismus" nennen. Es sollte heißen, was es ist: Hetze.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht

forest

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#4

Beitrag von forest » Do 7. Jul 2016, 14:18

Und zu guter vorläufiger Letzt:
Kleine Nachlese
Viele Menschen haben die vergangenen Kolumnen zur Strafrechtsreform gelesen. Einige waren schwer empört. Warum bloß?

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht

Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 3954
Registriert: Di 10. Nov 2015, 20:11
Wohnort: München

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#5

Beitrag von Nathan » Do 7. Jul 2016, 14:28

forest » 07 Jul 2016, 14:18 hat geschrieben:Und zu guter vorläufiger Letzt:
Kleine Nachlese
Viele Menschen haben die vergangenen Kolumnen zur Strafrechtsreform gelesen. Einige waren schwer empört. Warum bloß?

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht
Dafür haben Sie etwas gut bei mir, sagen wir ein Steckerleis oder so. Dieser Thomas Fischer ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, hätte er aber verdient, denn was er schreibt ist wirklich sehr überzeugend, klar, deutlich und offensichtlich frei von etwaigen persönlichen Interessen. Gerade letzteres kann man so gut wie von keinem offiziellen Kommentator erwarten und behaupten.

Schöne Stellungnahmen! :richtig:
Der größte geistige Freiraum ist der Raum zwischen den Stühlen

forest

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#6

Beitrag von forest » Do 7. Jul 2016, 19:56

Nathan » 07 Jul 2016, 14:28 hat geschrieben:Dafür haben Sie etwas gut bei mir, sagen wir ein Steckerleis oder so. Dieser Thomas Fischer ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, hätte er aber verdient, denn was er schreibt ist wirklich sehr überzeugend, klar, deutlich und offensichtlich frei von etwaigen persönlichen Interessen. Gerade letzteres kann man so gut wie von keinem offiziellen Kommentator erwarten und behaupten.

Schöne Stellungnahmen! :richtig:
Mit Sex angefangen hat er schon früher
Die SZ meldet (29. April 2016): "Der Tatbestand der Vergewaltigung setzt voraus, dass der Täter Gewalt anwendet oder das Opfer um sein Leben fürchten muss. Kann es keine Gegenwehr nachweisen oder das Messer am Hals, geht der Täter in der Regel straflos aus."
An diesen beiden Sätzen, die man so oder ähnlich jeden Tag in fast jeder Zeitung lesen kann, ist so ziemlich jedes Wort falsch.

Die Beweise bleibt er nicht schuldig.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... r-im-recht

Die AA zeigt heute das Abstimmungsverhalten hiesiger MdBs, allerdings ohne deren Kommentar, aber mit einem der AA.
Der Kommentator der AA hätte vorher Fischer lesen sollen.
Es fällt auf, daß die Grünen und Linken gegen das neue Gesetz waren.
http://www.augsburger-allgemeine.de/pol ... 82457.html

Auri

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#7

Beitrag von Auri » Di 12. Jul 2016, 15:34

Fischer legt nochmal nach.
Unübertreffliche Satire.
Lang, aber es lohnt sich komplett zu lesen.

Kerine Ahnung was ich aus dem Text besonders hervorheben sollte.
Es wäre komplett zitierwürdig.

Besonders der "Gesetzestextentwurf" ist aber schon den Literaturnobelpreis wert. :mrgreen:

Ich setz einfach mal den Anfang der Kolumne ins Forum, nur um Lust aufs weiterlesen zu machen.

Wir alle wissen oder glauben zu wissen, dass der Deutsche, anders als zum Beispiel ein Ausländer aus dem Ausland, Freund von Ruhe und Sicherheit ist. Das trifft mittlerweile sogar größtenteils auf Ausländer im Inland zu. Das Bundesgesetzblatt Teil Römisch Eins ist des Deutschen tägliche Morgenlektüre. Kaum hat er – die erste Cranberryflocke auf der Zunge und den ersten Cappuccinofleck des Tags auf der frischen Hose – die allerdringlichsten Früh-Tweets versendet (etwa über die Korruptheit der Politik, den Fußpilz der Geliebten und die Lebensferne der Juristen) und an zwei, drei Umfragen zu den Themen "Wird der Brexit die EU überleben?" oder "Götze und Gómez: Heimliches Glück?" teilgenommen, da schmökert er schon in der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Meldepflicht bei teilgeförderten kurzfristen Fortbildungsmaßnahmen von Dachdeckergehilfen und verinnerlicht deren Grundzüge. Gleich morgen wird er beim Dachdecker seines Vertrauens vorbeischauen und ihn unterrichten. Und das alles gilt selbstverständlich auch für seine deutsche Frau.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht

Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 3954
Registriert: Di 10. Nov 2015, 20:11
Wohnort: München

Re: Änderung des Sexualstrafrechts -

#8

Beitrag von Nathan » Di 12. Jul 2016, 16:36

Auri » 12 Jul 2016, 15:34 hat geschrieben:Fischer legt nochmal nach.
Unübertreffliche Satire.
Lang, aber es lohnt sich komplett zu lesen.

Kerine Ahnung was ich aus dem Text besonders hervorheben sollte.
Es wäre komplett zitierwürdig.

Besonders der "Gesetzestextentwurf" ist aber schon den Literaturnobelpreis wert. :mrgreen:

Ich setz einfach mal den Anfang der Kolumne ins Forum, nur um Lust aufs weiterlesen zu machen.

Wir alle wissen oder glauben zu wissen, dass der Deutsche, anders als zum Beispiel ein Ausländer aus dem Ausland, Freund von Ruhe und Sicherheit ist. Das trifft mittlerweile sogar größtenteils auf Ausländer im Inland zu. Das Bundesgesetzblatt Teil Römisch Eins ist des Deutschen tägliche Morgenlektüre. Kaum hat er – die erste Cranberryflocke auf der Zunge und den ersten Cappuccinofleck des Tags auf der frischen Hose – die allerdringlichsten Früh-Tweets versendet (etwa über die Korruptheit der Politik, den Fußpilz der Geliebten und die Lebensferne der Juristen) und an zwei, drei Umfragen zu den Themen "Wird der Brexit die EU überleben?" oder "Götze und Gómez: Heimliches Glück?" teilgenommen, da schmökert er schon in der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Meldepflicht bei teilgeförderten kurzfristen Fortbildungsmaßnahmen von Dachdeckergehilfen und verinnerlicht deren Grundzüge. Gleich morgen wird er beim Dachdecker seines Vertrauens vorbeischauen und ihn unterrichten. Und das alles gilt selbstverständlich auch für seine deutsche Frau.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansicht
das ist wirklich sehr geil...endlich mal wieder so richtig gelacht, danke! :richtig: :lach:
Der größte geistige Freiraum ist der Raum zwischen den Stühlen

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste