Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

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SLR
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Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

#1

Beitrag von SLR » So 15. Mär 2020, 08:28

Relativ unbemerkt von der im Coronafieber befindlichen Öffentlichkeit wurde letzte Woche von den Oppositionsparteien Grüne, Linke und FDP ein Gesetzentwurf vorgestellt, der Wasan wenig gefallen dürfte, aber im Trend der Zeit liegt und im Grunde überfällig ist, da er Auftrag schon zweier Verfassungen Deutschlands war/ist – nämlich das Zuendeführen der Säkularisation durch die endgültige Ablösung des seinerzeit den Kirchen abgenommenen Vermögens.

Zur Erinnerung: Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Kirchen im Rahmen der Säkularisation (Reichsdeputationshauptschluss) enteignet.

Als Ausgleich dafür gab es veerschiedenste Verpflichtungen zu Leistungen an die Kirchen, damit diese künftig beispielsweise weiter ihre Bauten unterhalten und ihre Bischöfe bezahlen konnten.

Schon die Weimarer Verfassung wollte diesem ‚ewigwährenden‘ Zustand ein Ende setzen und gab im Abs. 1 Art. 138 der Verfassung von 1919 auf:

"Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf."

Diesen Auftrag übernahm das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich im Art. 140

„Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“

Seit über 100 Jahren hat sich zu dieser Thematik allerdings nichts getan. Die Länder zahlen jährlich in sehr unterschiedlicher Höhe und nach sehr unterschiedlichen Ansätzen insgesamt bis zu 500 Millionen an die Länderkirchen.

Kritik daran gab es immer wieder, aber aufgrund der zu erwartenden hohen Ablöse im Milliardenbereich, wollte bislang keine Regierung an die Sache heran.

Nun will also die Opposition die Sache auf den Weg bringen und hat das von der Verfassung geforderte ‚Grundsätzegesetz‘ auf den Weg gebracht.

https://www.gruene-bundestag.de/fileadm ... ler-ge.pdf

Es sieht vor, dass die Länder das 18,6-fache d(er Wert der Leistung wird in Anlehnung an den Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach §13 des Bewertungsgesetzes berechnet) der Summe an die Bistümer und Landeskirchen zahlen, die ihnen im Jahr 2020 an Staatsleistungen von Gesetzes wegen zusteht. Die Länder sollen dabei innerhalb von 5 Jahren eigene Vereinbarungen mit ihren Schuldnern treffen die endgültige Ablöse solle dann auf 20 Jahre gestreckt werden können. Über diesen Zeitraum hinweg würden allerdings die bisherigen Zahlungen fortlaufen.

Der Wert der Ablöse dürften sich um die 10 Milliarden Euro bewegen – allerdings auf einen Zeitraum von 20 Jahren gestreckt.


Der Initiator des Gesetzesentwurfs, der scheidende Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert, begründete den Vorstoß der drei Oppositionsparteien im Bundestag mit den Worten, mit der Ablösung der Staatsleistungen würde nach mehr als 100 Jahren der Auftrag des Religionsverfassungsrechts „zum allseitigen Nutzen“ erfüllt. „Das Gesetz erreicht die Vollendung seiner weltanschaulichen Neutralität des Staates, erfüllt einen kirchlichen Rechtsanspruch und führt doch mittelfristig zur Einsparung von Mitteln“, so Ruppert.

Nach seinen Worten herrscht in der Bundesrepublik erst nach der Ablösung der Staatsleistungen echte Gleichberechtigung zwischen allen Religionsgemeinschaften untereinander und auch gegenüber den Menschen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören. Das stärkte die Glaubwürdigkeit des Staates und der Kirchen gleichermaßen und trüge auch dem Anliegen der Menschen Rechnung, die keiner Kirche angehören, finanzierten sie doch bislang auch durch ihre Steuern die Kirchen. https://www.faz.net/aktuell/politik/inl ... 77710.html

Die Kirchen selbst sträuben sich nicht mal gegen die Abwicklung. https://www.katholisch.de/artikel/20619 ... geld-zahlt -tatsächlich ist es die Politik, die durch alle Legislaturperioden hindurch kein Interesse erkennen lässt. Natürlich würde es zunächst mal teuer – aber auf lange Sicht?

Mal sehen, was sich daraus entwickeln wird.


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Re: Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

#2

Beitrag von FCAler » So 15. Mär 2020, 12:45

SLR hat geschrieben:
So 15. Mär 2020, 08:28
Relativ unbemerkt von der im Coronafieber befindlichen Öffentlichkeit wurde letzte Woche von den Oppositionsparteien Grüne, Linke und FDP ein Gesetzentwurf vorgestellt, der Wasan wenig gefallen dürfte, aber im Trend der Zeit liegt und im Grunde überfällig ist, da er Auftrag schon zweier Verfassungen Deutschlands war/ist – nämlich das Zuendeführen der Säkularisation durch die endgültige Ablösung des seinerzeit den Kirchen abgenommenen Vermögens.

Nach seinen Worten herrscht in der Bundesrepublik erst nach der Ablösung der Staatsleistungen echte Gleichberechtigung zwischen allen Religionsgemeinschaften untereinander und auch gegenüber den Menschen, die keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören. Das stärkte die Glaubwürdigkeit des Staates und der Kirchen gleichermaßen und trüge auch dem Anliegen der Menschen Rechnung, die keiner Kirche angehören, finanzierten sie doch bislang auch durch ihre Steuern die Kirchen. https://www.faz.net/aktuell/politik/inl ... 77710.html

Die Kirchen selbst sträuben sich nicht mal gegen die Abwicklung. https://www.katholisch.de/artikel/20619 ... geld-zahlt -tatsächlich ist es die Politik, die durch alle Legislaturperioden hindurch kein Interesse erkennen lässt. Natürlich würde es zunächst mal teuer – aber auf lange Sicht?

Mal sehen, was sich daraus entwickeln wird.


Gefällt mir auch nicht unbedingt


wenn ich diesen letzten Absatz so lese! :diabolo:

Warum, sind denn so viele Katholiken, oder Evangelische aus der Kirche ausgetreten, doch nur, um keine Kirchensteuer zu zahlen!

Oder liege ich da sooo falsch und habe etwas übersehen? :confus:
Zuletzt geändert von FCAler am So 15. Mär 2020, 13:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

#3

Beitrag von SLR » So 15. Mär 2020, 13:07

FCAler hat geschrieben:
So 15. Mär 2020, 12:45


Gefällt mir auch nicht unbedingt


wenn ich diesen letzten so Absatz lese! :diabolo:

Warum, sind denn so viele Katholiken, oder Evangelische aus der Kirche ausgetreten, doch nur, um keine Kirchensteuer zu zahlen!

Oder liege ich da sooo falsch und habe etwas übersehen? :confus:
Sag mir doch bitte, worauf du genau hinauswillst, ich weiß das nämlich nicht sicher.

Die Kirchensteuer bleibt den Kirchen ja. Wenn ihnen die Mitglieder davon laufen, müssen sie eben dazu tun, dass das wieder anders wird. Wenn man als Kirche die Entschädigungen für die Missbrauchsopfer wieder den Steuerzahlen berappen lassen will, muss man sich nicht wundern, wenn Leute austreten, die immer noch treu und brav gezahlt haben, obwohl sie nicht mehr so viel mit dem Verein am Hut hatten.

Bei dieser Sache geht es um die endgültige Ablöse für die enteigneten Kirchenländereien. Und das wird ja einen Batzen Geld geben zusätzlich oben drauf zu der vielen Kohle, die seit über einem Jahrhundert an die Kirchen jährlich berappt werden.
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Re: Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

#4

Beitrag von FCAler » So 15. Mär 2020, 13:23

SLR hat geschrieben:
So 15. Mär 2020, 13:07
Sag mir doch bitte, worauf du genau hinauswillst, ich weiß das nämlich nicht sicher.

Die Kirchensteuer bleibt den Kirchen ja. Wenn ihnen die Mitglieder davon laufen, müssen sie eben dazu tun, dass das wieder anders wird. Wenn man als Kirche die Entschädigungen für die Missbrauchsopfer wieder den Steuerzahlen berappen lassen will, muss man sich nicht wundern, wenn Leute austreten, die immer noch treu und brav gezahlt haben, obwohl sie nicht mehr so viel mit dem Verein am Hut hatten.

Bei dieser Sache geht es um die endgültige Ablöse für die enteigneten Kirchenländereien. Und das wird ja einen Batzen Geld geben zusätzlich oben drauf zu der vielen Kohle, die seit über einem Jahrhundert an die Kirchen jährlich berappt werden.

Ja gerne,

vielleicht habe ich auch diesen Satz etwas anders interpretiert als er wirklich aussagen soll. Mit allem Andern was Du geschrieben hast, kann ich gut leben. :richtig:
finanzierten sie doch bislang auch durch ihre Steuern die Kirchen.
Dieses "bislang" ist mir da wohl durch die Lappen gegangen, Entschuldigung. :bier:
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Re: Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

#5

Beitrag von Wasan » So 15. Mär 2020, 14:09

SLR hat geschrieben:
So 15. Mär 2020, 08:28
Relativ unbemerkt von der im Coronafieber befindlichen Öffentlichkeit wurde letzte Woche von den Oppositionsparteien Grüne, Linke und FDP ein Gesetzentwurf vorgestellt, der Wasan wenig gefallen dürfte, aber im Trend der Zeit liegt und im Grunde überfällig ist,
Grüss Dich.
Nein da irrst du. Mir gefällt das sogar sehr. Wie du ja auch richtig schreibst sind die beiden grossen Krichen schon lange dafür. Blos die diversen Regierungen die letzten Jahrzehnte scheuten immer den Schritt, da er eben die Bundesländer erst mal mehr Geld kostet.
Der Gesetzesvorschlag mit den vorgeschlagenen Beträgen ist gut durchdacht und könnte man so machen.

Hat blos die letzen hundert Jahre nicht geklappt und nun angesichts von der Pandemie glaub ich auch nicht dran, dass das nun ausgerechnet jetzt umgesetzt werden wird. Denkbarer schlechter Zeitpunkt.

Hinweisen möchte ich aber schon auch drauf, dass Gelder die an die Kirchen gehen ob nun vom Staat, durch die Kirchensteuer oder auch durch Spenden immer dem Gemeinwohl dienen. Was dort fehlt fehlt auch dieser Gesellschaft.

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Re: Die Pflicht zu Staatsleistungen an Kirchen soll abgelöst werden

#6

Beitrag von SLR » So 15. Mär 2020, 19:33

Wasan hat geschrieben:
So 15. Mär 2020, 14:09
Grüss Dich.
Nein da irrst du. Mir gefällt das sogar sehr. Wie du ja auch richtig schreibst sind die beiden grossen Krichen schon lange dafür. Blos die diversen Regierungen die letzten Jahrzehnte scheuten immer den Schritt, da er eben die Bundesländer erst mal mehr Geld kostet.
Der Gesetzesvorschlag mit den vorgeschlagenen Beträgen ist gut durchdacht und könnte man so machen.

Hat blos die letzen hundert Jahre nicht geklappt und nun angesichts von der Pandemie glaub ich auch nicht dran, dass das nun ausgerechnet jetzt umgesetzt werden wird. Denkbarer schlechter Zeitpunkt.

Hinweisen möchte ich aber schon auch drauf, dass Gelder die an die Kirchen gehen ob nun vom Staat, durch die Kirchensteuer oder auch durch Spenden immer dem Gemeinwohl dienen. Was dort fehlt fehlt auch dieser Gesellschaft.
Umso besser, wenn du das auch so siehst. Es ist kurzsichtig von Bund und Ländern, das immer wieder abzuwehren und zu verschieben. Das kommt mir vor, wie wenn jemand sein Girokonto immer überzogen hält, statt sich mal einen anständigen Kredit zu besorgen.

Das mit dem Gemeinwohl ist 'Wohl' ^^..^^ in den meisten Fällen so, aber seit dem Protzbischof... und überhaupt sind die Gehälter der Bischöfe schon fürstlich, dafür, dass sie eigentlich ja nur ihrem Herrn dienen wollen. Also vergleichen wir es mal mit dem was Ordensfrauen - und männer für lau leisten.
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