EuGH-Urteil zu Widerrufsrecht in Kreditverträgen

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SLR
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EuGH-Urteil zu Widerrufsrecht in Kreditverträgen

#1

Beitrag von SLR » Sa 4. Apr 2020, 09:54

Das EuGH hat ein in vielen Medien als 'sensationell' beurteiltes Urteil zum Widerrufsrecht in Kreditverträgen gefällt.

Da die sog. Kaskadenwiderurfsbelehrung europäischem Recht widerspräche, wäre sie ohne Wirkung und Millionen von Kreditnehmern könnten vor Jahren geschlossene Kreditverträge rückwirkend kündigen.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... -1.4857998

Der Jubel unter den Journalisten wie Rechtsanwälten ist überwältigend. Die Begeisterung kennt keine Grenzen. 20 Millionen Verträge könnten so auf Null gesetzt werden. Tilgungsraten zurückverlangt werden - Autos zurückgegeben werden, ohne Entschädigung für gefahrene Kilomenter.

Rechtsanwälte machen halbseitig Werbung in Zeitungen, das große Geschäft witternd. Ob das vor allem in diesen Zeiten der letzte Dolchstoß für unsere Wirtschaft wäre - egal. Ob dahinter auch nur ein Funken von redlichem Rechtsverständnis steht - egal.

Jedem normalen Vertragsnehmer ist klar, dass ihm eine Widerrufsregel nur noch etwas Zeit verschaffen soll, sich eine (mehr oder weniger schwerwiegende) Entscheidung noch einmal zu überlegen. Keinesfalls dient sie dazu, sich nach Jahren, wenn man aus welchen Gründen auch immer zu einer anderen Auffassung kommt, aus einem Vertrag stehlen zu können. Das ist jedem aber auch wirklich jedem, der ein normales Rechtsempfinden hat klar. Deshalb ist es es unredlichst für Leistungen, die man bezogen hat, auf einmal nichts mehr bezahlen zu wollen. Geht's eigentlich noch? Wer soll denn aufkommen, für die Schäden, die dadurch entstehen?

Es gibt übrigens auch andere Ansichten, die vermutlich auch diejenigen sind, die rechtlich Stand halten werden:

https://www.noerr.com/de/newsroom/news/ ... svertragen

>>Die Entscheidung des EuGH dürfte – entgegen anderslautender Pressemeldungen – allerdings nicht dazu führen, dass alle seit dem Juni 2010 geschlossenen Verbraucherdarlehensverträge, die in der Widerrufsinformation den sog. Kaskadenverweis auf § 492 Abs. 2 BGB enthalten, jetzt noch widerrufen werden können. Primär maßgeblich bleibt das nationale Recht, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19.03.2019 (XI ZR 44/18) unter Verweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut, die Systematik der gesetzlichen Regelungen sowie dem klar geäußerten Willen des Gesetzgebers bereits in der Vergangenheit festgehalten hat:

„Überdies hat der Gesetzgeber […] den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB mit Gesetzesrang als eine klare und verständliche Gestaltung der Information über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist vorgesehen. Über dieses gesetzgeberische Gesamtkonzept dürfen sich die Gerichte, die ihrerseits der Gesetzesbindung unterliegen, bei der Auslegung des gleichrangigen übrigen nationalen Rechts zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG nicht hinwegsetzen […]. In der Entscheidung, der Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB sei unzureichend klar und verständlich, läge eine Missachtung des der gesetzlichen Anordnung, die dazu führte, dass das Regelungsziel des Gesetzgebers in einem wesentlichen Punkt verfehlt und verfälscht und einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben würde. Dazu sind Gerichte nicht befugt“.

Dass der Bundesgerichtshof nicht gewillt sein dürfte, von dieser gefestigten Ansicht aufgrund des EuGH-Urteils abzurücken, zeigt seine Reaktion auf das Romano-Urteil des EuGH (C-143/18), das ebenfalls zu Verbraucherdarlehensverträgen ergangen ist. Obgleich der EuGH das deutsche Recht auch dort als richtlinienwidrig eingestuft hatte, sah sich der Bundesgerichtshof nicht dazu veranlasst, eine richtlinienkonforme Auslegung entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. vom 15.10.2019 - XI ZR 759/17). <<

Vermutlich also viel heiße Luft um nichts.

Aber allein das Ansinnen lässt die Haare zu Berge stehen.

Nichts gegen das Urteil und dass künftig Verträge anders abgefasst werden müssen... aber die offenbar ersehnten Folgen, ohne Rücksicht auf weitere Folgen... unglaublich.


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