Die Wand - Zum 100. Geburtstag von Marlen Haushofer

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SLR
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Die Wand - Zum 100. Geburtstag von Marlen Haushofer

#1

Beitrag von SLR » So 12. Apr 2020, 08:52

Mir sagte der Name nichts. Marlen Haushofer - nie gehört. Der Kollege hatte seine Pausenlektüre liegen lassen und ich warf einen Blick auf die Inhaltsbeschreibung und dann auch in die ersten Seiten.

Selten hat mich ein Roman schneller in seinen Bann gezogen. Ich besorgte ihn mir sofort und las ihn in einem Zug durch.

Vermutlich muss man Melancholiker sein oder zumindest Anflüge dieser Stimmung mögen, dann aber wird man sich dem Geschehen von dem die Ich-Erzählerin berichtet kaum entziehen können.

Ich übernehme mal die Wikipedia-Inhaltsangabe:

>>Die vierzigjährige Protagonistin, die namentlich nicht genannt wird, tritt in dem Roman als Ich-Erzählerin auf. Sie reist mit ihrer Cousine Luise und deren Ehemann Hugo an einem Wochenende zu einer Jagdhütte ins Gebirge. Das Ehepaar sucht abends noch eine im Tal gelegene Gaststätte auf. Morgens vermisst die Erzählerin ihre Begleiter und verlässt die Hütte, um nach ihnen Ausschau zu halten. Doch am Ausgang der Schlucht stößt sich der bei ihr verbliebene Hund des Paares die Schnauze an einer unsichtbaren Sperre blutig. Ein Mann, der im Tal an einem Brunnen Wasser schöpft, wirkt in ihrem Fernglas wie versteinert.

Es scheint, als habe ein großes Unglück alle – zumindest aber alle ihr durch die durchsichtige Wand erkennbaren – Lebewesen tödlich erstarren lassen. Die Ich-Erzählerin ist durch die rätselhafte Wand vor diesem Unglück geschützt und zugleich aber auch gefangen. Da sich das von der Wand umschlossene Gebiet über mehrere Jagdreviere erstreckt, lernt die so Isolierte allmählich, sich von den verbliebenen Vorräten, den Früchten und Tieren des Waldes und ihrem Garten zu ernähren. Zu der Sorge um ihre eigene Existenz kommt dabei bald die Sorge um verschiedene Tiere, die ihr zulaufen: neben dem Hund mehrere Katzen und eine trächtige Kuh. Während des dritten Winters fertigt sie den vorliegenden Bericht an – ohne zu wissen, ob ihn jemals jemand zu Gesicht bekommen wird. Zu ihrem früheren Leben entwickelt sie eine zunehmende Distanz, die sich besonders bei der Betrachtung ihres Verhältnisses zu ihren Töchtern ausdrückt, deren Schicksal ungewiss ist.

Gegen Ende erscheint auf der Alm, welche die Frau als Sommerquartier bezogen hat, ein Mann. Da er ohne ersichtlichen Grund ihren von der Kuh geborenen jungen Stier mit einer Axt erschlägt und auch den zur Hilfe eilenden Hund tötet, läuft die Frau zur Almhütte, bewaffnet sich mit ihrem Jagdgewehr und erschießt den Mann, ohne zu zögern. Die Erzählung klingt optimistisch aus; so heißt es unter anderem: „Seit heute früh weiß ich sicher, daß Bella ein Kalb haben wird. Und, wer weiß, vielleicht wird es doch wieder junge Katzen geben.“] Die Gefangene verschiebt ihren schon wiederholt erwogenen Ausbruch, obwohl ihr sowohl die Munition als auch die Zündhölzer ausgehen. Ihr Schicksal bleibt offen.<<

Die Protagonisten erschießt also den vermutlich einzigen Menschen mit dem sie noch in Kontakt treten könnte. Das habe ich immer als sehr bemerkenswert empfunden - auch wenn man natürlich darauf verzichten kann, wenn man annehmen muss, dass es sich um einen rohen Gewalttäter handelt.

In einer gewissen Weise passt der Roman in unsere Zeit. Isolation auch hier. Wer alleinstehend ist hat Pech gehabt, kann froh sein, wenn er noch Hund und Katze um sich herum weiß.

Marlen Haushofer sagte von sich, dass sie nichts schreibe, was sie nicht selbst erlebt, gedacht, gefühlt habe. Das spürt man in ihren Texten und es spricht einen an oder man lehnt es strikt ab. Zur Wand meinte sie in einem Interview: "Aber, wissen Sie, jene Wand, die ich meine, ist eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird.“

Ich habe nach der Wand alles von ihr gelesen, kann mich aber leider kaum noch an was erinnern (was mir aber bei anderen Autoren auch so geht), weshalb ich nicht ins Blaue hinein über andere ihrer Werke sprechen möchte.

Es gibt eine Hommage zu ihren Tod im Tagesspiegel

https://www.tagesspiegel.de/kultur/die- ... 32618.html

Frau Bartels kann das eh besser als ich.


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messalina
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Re: Die Wand - Zum 100. Geburtstag von Marlen Haushofer

#2

Beitrag von messalina » So 12. Apr 2020, 10:57

Ich hab "Die Wand" mal als Film im Fernsehen gesehen, der war gruselig und irgendwie ohne Ende, ich war danach richtig verstört.

Vielleicht müsste man da einen Mann fragen

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SLR
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Re: Die Wand - Zum 100. Geburtstag von Marlen Haushofer

#3

Beitrag von SLR » So 12. Apr 2020, 14:53

messalina hat geschrieben:
So 12. Apr 2020, 10:57
Ich hab "Die Wand" mal als Film im Fernsehen gesehen, der war gruselig und irgendwie ohne Ende, ich war danach richtig verstört.

Ja als Film gibt es das auch. An den kann ich mich aber gar nicht mehr erinnern, obwohl wir ihn gesehen haben. Es ist wirklich erschreckend, ging mir aber immer schon so. Ich weiß aber, dass ich mir im Vorfeld dachte, dass ich mir das nicht so recht vorstellen kann in der Umsetzung. Es ist doch ein Buch, das sehr von den niedergeschriebenen Gedanken UND der Sprache lebt. Mein Mann meint gerade, er habe uns gefallen... dann wird's schon so gewesen sein. Das Ende bleibt im Buch ja auch offen...
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Wasan
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Re: Die Wand - Zum 100. Geburtstag von Marlen Haushofer

#4

Beitrag von Wasan » So 12. Apr 2020, 18:00

Danke für den Tip, Autorin, Buch und Film ist mir völlig unbekannt. Aber genau mein literarisches Beuteschema. :richtig:

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