Beschluss des BVerfG zur Triage

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SLR
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Beschluss des BVerfG zur Triage

#1

Beitrag von SLR » Mi 29. Dez 2021, 11:00

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, klarstellende Regelungen hinsichtlich evtl. auftretender Triage-Situationen zu treffen, die sicherstellen, dass Behinderte bei der Entscheidung nicht benachteiligt werden.

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 1-109.html

Zu diesem Beschluss gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Auffällig ist jedenfalls, dass das BVerfG, das im Fall des gewünschten Abschusses eines von Terroristen entführten Passagierflugzeuges zur Rettung der Einwohner einer durch einen mutwillig zu verursachenden Absturz gefährdeten Stadt, noch erklärte, dass der Staat nicht Menschenleben gegen Menschleben aufrechnen und abwägen dürfe, nun doch zumindest etwas Ähnliches verlangt. Gut, er verklausuliert das dahingehend, dass eine ohnehin schon beeinträchtigte Personengruppe aufgrund dieser Beeinträchtigung nicht schlechter gestellt werden darf, was der Art. 3 GG ja bereits einfordert. Nur wie das konkret aussehen könnte bei einer Entscheidung zwischen entweder stirbst du oder der andere, wenn die Beeinträchtigungen durch eine Behinderung, die eben sehr wohl Auswirkungen auf die Überlebenschancen haben außen vorgelasssen werden müssen, darum drückt sich das BVerfG dann doch lieber herum.

Kann man ausschließen, dass die Sorge vor der Benachteiligung von Behinderten dazu führt, dass Nichtbehinderte benachteiligt werden? Der schwerbehinderte ungeimpfte Patient X hat schlechtere Überlebenschancen als der geimpfte Patient Y, den es trotz Impfung übel erwischte. Die Impfung von Patient X war aber aufgrund seiner allgemein labilen körperlichen Verfassung nicht möglich. Und nun? Darf man nun Patient Y die medizinische Versorgung angedeihen lassen oder nicht. Die schlechteren Chancen des Patienten X liegen ja in seiner Behinderung begründet und die darf nicht zu einer Benachteiligung führen.

Soll dann das Los entscheiden?

Tatsächlich klingt der Beschluss gut, er wirft aber eine Menge Fragen auf und wird die Arbeit der zuständigen Mediziner in keinem Fall leichter machen.


"Dies ist ein Antiterroranschlag des Asozialen Netzwerkes"

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messalina
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Re: Beschluss des BVerfG zur Triage

#2

Beitrag von messalina » Mi 29. Dez 2021, 11:34

Mich verwirrt jetzt der Begriff total, ich kann da garnicht mitdiskutieren. "Behinderte Menschen" darf man doch gar nicht mehr sagen, oder? Weil man ist ja nicht behindert, sondern hat eine Behinderung, besser ein Handicap.

Außerdem, wer ist überhaupt mit "behinderte Menschen" gemeint? Mit vielen Krankheiten bekommt man einen Grad an Behinderung, Herzinfarkt, Diabetes, schwere Migräne, chronisch Rücken. Im Alter haben fast alle irgendeine Behinderung.
Vielleicht müsste man da einen Mann fragen

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messalina
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Re: Beschluss des BVerfG zur Triage

#3

Beitrag von messalina » Mi 29. Dez 2021, 11:52

Im Sozialgesetzbuch IX steht:

„Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. (...)“

Jetzt kann ich noch weniger anfangen mit dem Thema 😶
Vielleicht müsste man da einen Mann fragen

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messalina
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Re: Beschluss des BVerfG zur Triage

#4

Beitrag von messalina » Mi 29. Dez 2021, 12:32

Muss jetzt der Gesetzgeber für alle möglichen Fälle Regeln aufstellen? Also wenn z. B. 5 Patienten gleichzeitig eingeliefert werden, der seelisch behinderte traumatisierte Flüchtling, der unterschenkelamputierte Motorradfahrer, die alte Dame mit dem Hörgerät, das Mädchen mit Trisomie 21 und ich mit Migräne, wer dann nicht als letzter drankommen darf? :blink:
Vielleicht müsste man da einen Mann fragen

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Don Cat
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Re: Beschluss des BVerfG zur Triage

#5

Beitrag von Don Cat » Mi 29. Dez 2021, 16:32

messalina hat geschrieben:
Mi 29. Dez 2021, 11:52
Im Sozialgesetzbuch IX steht:

„Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. (...)“

Jetzt kann ich noch weniger anfangen mit dem Thema 😶
Der Begriff „behindert“ ist ganz normal und wird auch von den Betroffenen selbst verwendet. Alles andere wäre gut gemeinte, aber peinlich-falsche Höflichkeit, was die Betroffenen selbst nicht mögen.
So richtig gut ist's nirgends.
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thai.fun
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Re: Beschluss des BVerfG zur Triage

#6

Beitrag von thai.fun » Mi 29. Dez 2021, 18:40

Don Cat hat geschrieben:
Mi 29. Dez 2021, 16:32
Der Begriff „behindert“ ist ganz normal und wird auch von den Betroffenen selbst verwendet. Alles andere wäre gut gemeinte, aber peinlich-falsche Höflichkeit, was die Betroffenen selbst nicht mögen.
Sehr gut beschrieben. Das sag ich der eine 1Jährig Tochter durch Arzt Fehler dann 36Jahre lang schwerstbehindert, auch lange im Heim, hatte. Aber man lernt so auch, dass das Individuum Mensch einfach auch verschieden auf "Abnormale" reagiert. Und das ist menschlich so. Keiner muss sich schämen wenn er nicht weis mit sowas umzugehen. Ich hab oft mehr Probleme mit Betroffenen von Behinderten gehabt, die zu Mitleit-Heischenden geworden sind.

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